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Thema: Auferstehung von den Toten...  (Gelesen 2534 mal)

Offline MikeSt

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Auferstehung von den Toten...
« am: 27-12-2010, 20:46:52 »
Auferstehung von den Toten.

Es muss Mitte der 90iger gewesen sein, als die ersten Asiaten den Markt unterwanderten.
Man soll zu seinen Fehlern ja stehen. Außerdem ist es verjährt. Jaaaa! Ist ja gut!
Ich gebe es zu. Ich fand sie anfangs toll…
Ich stand nun in einem neu eröffnetem Geschäft vor einem Becken mit insgesamt 5 Diskusfischen, deren Fantasienamen genauso abstrakt war, wie ihre Färbung.

Noch abstrakter aber war der ausgewiesene Preis der Tiere.
Ich kann mich nicht genau daran erinnern, aber ein Kauf der Fische war nicht drin. Er war einfach nicht vertretbar.
Ich habs dann nach zähen Verhandlungen doch getan.

In meinem damals recht großzügigem Wohnzimmer von bescheidenen 50 qm, stand ein 400 Liter Becken. Offen. Mit wunderbar herauswachsenden Pflanzen. Dem gegenüber, in einer geschätzten Entfernung von mindestens 8 Metern, stand der Esstisch.

Am folgendem Morgen stand ich auf und dackelte natürlich zuerst zum Aquarium. 4 der Burschen zeigten sich in voller Pracht. Ich riss mich von diesem Anblick los und kochte mir einen Kaffee. Anschließend nahm ich an dem Esstisch Platz und blickte während des Frühstücks unentwegt in das Aquarium.

Frage? Wie lange dauert es im Durchschnitt so, bis man sich einen Kaffee in die linke Herzkammer gegossen hat? Genüsslich. Dazu frühstückt? Inklusive Vorbereitung…

Während ich so in das Becken schaute und immer mal wieder nach dem 5, offensichtlich etwas scheueren Tier Ausschau hielt (das Becken war großzügig bepflanzt), wurde mein Augenmerk immer wieder von meiner Katze abgelenkt.

Nun, nach dem Frühstück räumte ich den Tisch ab und ging natürlich dann zum Becken. Meine dösige Katze saß noch immer davor. Ich weiß nicht mehr genau, wie es ablief, jedenfalls kniete ich mich hin und folgte ihrem Blick.

Ich bin 41 Jahre alt, relativ fit aber fest davon überzeugt, dass ich Heute diesen Anblick nicht überleben würde.
Unter dem Aquariumschrank lag ein Diskusfisch.
Kommen wir nochmals auf die Frage zurück, wie lange ein Frühstück durchschnittlich dauert…

Woran ich mich erinnere ist, dass ich bei dem panischem Zugreifen bemerkte, dass das Tier bereits leicht auf dem Holzboden festklebte. Als ich ihn hochhob, so erinnere ich mich ebenfalls, das ich eine so genannte Wollmaus im Bereich des Maules(Kiemen feststellte. Ich habe den Fisch sofort ins Becken geschmissen. Natürlich trieb er sofort regungslos zu Boden. Dieses Tier, dessen Haut erkennbar angetrocknet war, war definitiv tot.
Mehrmals hoch ich das Tier an, aber es sank regungslos zu Boden.

Es gibt Situationen, in denen man vielleicht nicht rational reagiert. Ich hätte in dieser Situation jedem gesagt, dass allein der Umstand,  dieses Tier, was nachweislich mindestens eine halbe Stunde unter einem Schrank auf dem Boden lag, so reanimationsfähig ist, wie eine Dose Thunfisch.

Und trotzdem griff ich erneut ins Becken. Ich entfernte mit einer Hand die Staubfäden aus dem Maul, während ich das Tier mit der anderen Hand aufrecht hielt. Keine Ahnung warum, aber ich hielt ihn mit dem Maul wenige Zentimeter vor dem Filterauslass.

Ich weiß auch nicht mehr, wie lange ich dort stand. Aber es war mehr als eine halbe Stunde. Immer wieder öffnete ich mit einer Hand das kleine Maul dieses vielleicht 10er oder 12er Fisches.
Und irgendwann spürte ich in der Hand eine leichte Bewegung. Ganz leicht. Ich ließ das Tier los und es sank sofort wieder taumelt zu Boden. Aber was ich sah, konnte ich kaum glauben. Ganz zarte Maulbewegungen.

Ich habe diesen Fisch gerettet. Er zeigte erhebliche Blessuren auf und ich konnte von Glück sagen, dass sich dort keine Pilzinfektion bildete. Aber die Haut heilte, die eingerissenen Flossen ebenfalls und das Tier wuchs zu den Schönsten jemals von mir aufgezogenen Tieren heran. Leider – aber das ist ein anderes Thema- gelang es mir nie, mit diesem Tier zu züchten. Wie mit vielen Asiaten der ersten Stunde.

Der Diskus wurde 10 Jahre alt. Diese Situation verband uns. Ich  konnte mich nicht von ihm trennen.

Diese Geschichte zeigt auf, wie ungeheuer zäh diese Tiere sind. Ich setze mir jetzt mal die Moralpredigerkappe auf und möchte diese Geschichte zum Anlass nehmen, uns und unsere Haltungsbedingungen immer wieder mal zu hinterfragen.

Stehen unsere Tiere gut, weil wir beste Voraussetzungen schaffen, oder vielleicht auch manchmal nur, weil sie so außergewöhnlich robust sind und damit Vieles unserer evtl. auch gut gemeinten falschen Pflege kompensieren?

Grüße,

MikeSt
 

Offline Jörg Gottwald

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Re:Auferstehung von den Toten...
« Antwort #1 am: 27-12-2010, 21:18:21 »
Hallo Mike!
gute Geschichte aber ich könnte dir mal ein Video schicken, das nenne ich Mikes Frust. Weisst du noch welches das war? Irgendwie hat es die zig Rechnerwechsel immer überstanden, während ich die Bilder von meinen Fischen verloren habe
mfg
jörg
 

Offline Ditmar

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Re:Auferstehung von den Toten...
« Antwort #2 am: 28-12-2010, 07:37:20 »
Hallo Mike

Eine Wahnsinns Story und super geschrieben. :applaus:

Ich glaube das diese Fische es durch die Evolution es gelernt haben so robust zu sein.
Soll heißen das es auch im Amazonas Momente gibt wo die Tiere ihren ganzen Überlebenswillen brauchen um solche Situationen zu überleben.

Also der Überlebenswille ist da.
Nun liegt es an uns ihnen dabei zu helfen in dieser für sie ungewohnten Welt zu überleben. ( Aquarium )
Gruß Ditmar
Becken 200x80/70x60, Back to Nature Amazonas,
Orinoco Altum, L134, L46, Dornaugen, Sterbai, Golden Nugget, Sturisoma, RHG's
 

Offline carlbalke

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Re:Auferstehung von den Toten...
« Antwort #3 am: 28-12-2010, 12:08:51 »
Hallo Mike,

ist ja schon erstaunlich, ich habe gerade ähnliches (aber nicht so dramatisch) erlebt.

Bedingt durch den Umzug standen die Fische schon einen Tag in einem 70 er Würfel ohne Abdeckung  und warteten bereits auf den Einzug in ihr Aquarium. Ich hatte aber (natürlich) den Wasserschlauch vergessen und die Abschlussteile für den Wasserhahn pp. . Eigentlich war ich schon auf dem Heimweg, machte aber noch einmal einen Rundgang durch die neue Wohnung. Da hörte ich ein leichtes Plätschern, ein Blick zum Würfel zeigte mir aber, das der noch dicht war, also Einbildung? Im weggehen dann wieder so ein plätscherndes Geräusch. Also nochmal zurück zur genauen Kontrolle. Und siehe, da lag mein Snake hinter dem Becken und klatschte mit den Flossen, als er mich sah. Nachdem ich ihn dann zurückbefördert hatte, hab ich ersteinmal eine Abdeckung aus der Rückwand  konstruiert und montiert.  Dem Fisch gehts, wie auch den anderen, gut. Da alle noch beleidigt sind, gibt es zurzeit auch kein Gezänk und alle schwimmen Flosse an Flosse durchs Becken.

Bei diesen Maßnahmen zeigt sich aber auch die Robustheit der Tiere. Binnen 2 Tagen - aus dem Becken, in die Tüte, in den Würfel (hatte am Anfang 23°C) und dann ins Becken-, jeweils 100% Wasserwechsel und alles ist wohlauf.

Gruß Götz
 

Offline Yasa

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Re:Auferstehung von den Toten...
« Antwort #4 am: 28-12-2010, 14:23:07 »
Hallo Mike,

das ist ja eine unglaubliche Geschichte! Prima, dass es zum Schluß auch ein Happy End gibt  :xmas03:

Ja, die Tierchen sind doch zäher, als sie scheinen. Gut so!

Liebe Grüße
Sabine